Modellflug in der Antarktis
Da ich seit über 20 Jahren begeisterter Modellflieger bin, lag die Idee nicht fern, auch an diesem ungewöhnlichen Ort meinem Hobby nachzugehen. Aber von der Idee bis zur Umsetzung dieses Vorhabens dauerte es über ein Jahr, da sehr langfristig vorausgeplant werden musste. Denn nach der Ankunft gibt es keine Transportmöglichkeit mehr bis zum verlassen der Station. Die Auswahl des Modells und des richtigen Materials war nicht einfach. Ich hatte wenig Hoffnung einen Verbrennungsmotor bei den extremen Minustemperaturen starten zu können, und aus Umweltschutzgründen kam dies auch nicht in Frage.
Für den Transport stand mir nur eine Alukiste zur Verfügung, die eine maximale Länge von 80 cm hat, was die Größe des Modells automatisch beschränkt. Was blieb ist ein kleines zerlegbares Motorflugzeug mit Elektromotor. Ich suchte auf dem Modellbaumarkt nach einem passenden Modell, fand aber auf Anhieb keines, das meinen Ansprüchen genügte. Nach längerem Suchen und Abwägen entschied ich mich für den kleine E-Bingo von Robbe. Ein kleine, solider Hochdecker, der noch nach etwas aussieht. In wenigen Tagen war der Rohbau fertig. Für meinen speziellen Einsatzzweck mussten natürlich einige Veränderungen am Modell vorgenommen werden.
Da der Flügel mit einer Spannweite mit 1200 mm zu groß war, musste er teilbar gebaut werden. Durch diese Änderungen ist der E-Bingo im zerlegten Zustand extrem klein und passt fast in jeden Koffer, will man z.B. an seinem Urlaubsort auf sein geliebtes Hobby nicht verzichten.
Bespannt wurde das Modell mit normaler handelsüblicher Bügelfolie. Allerdings vertrug die Folie die Temperaturschwankung zwischen beheizter Unterkunft und der Außentemperatur nicht. Nach Verlassen der Station bildeten sich extreme Falten, die aber später wieder ausgebügelt werden konnten. Mir war auch klar, dass Kunststoffteile bei extremen Minustemperaturen brüchig werden. Ich testete daher schon zu Hause in der Tiefkühltruhe einige Kunststoffteile auf die Belastbarkeit. Besonders bei kritischen Bauteilen wie den Ruderschahnieren und der Anlenkung sollte man weitgehend auf Kunststoffteile verzichten. Um ein Brechen der Motorhaube und Kunststoff-Fenster zur vermeiden, dürfen diese nicht mit Schrauben befestigt werden. Besser bewährt hat sich hier Klebeband oder Klettverschluss.
Den E-Bingo hatte ich schon in den ersten Tagen nach der Ankunft auf der Station startklar gemacht. Also rein in die Schneestiefel und Thermooverall und raus aus dem Container in die Kälte. Ich ging etwas abseits der Pinguin-Kolonien, um einen geeigneten Startplatz zu suchen. Natürlich wollte ich die putzigen Tierchen nicht erschrecken oder gefährden. Für einen Bodenstart war leider die Oberfläche des Schnees zu holprig. Nach Überprüfung der Fernsteuerung war es nun soweit: Der JUNGFERNFLUG des E-Bingos.